Individuelle Intensitätsbestimmung

Woher weiß ich, dass ich mit der richtigen Intensität trainiere?

In den vorherigen Artikeln war häufig die Rede von Trainingsintensitäten. Ein wichtiger Begriff in der Trainingssteuerung, doch was verbirgt sich dahinter? Woher weiß ich, bei welcher Intensität ich trainieren sollte und wie kann ich messen, bei welcher Intensität ich gerade trainiere?

Wichtige Fragen, die ich im folgenden Artikel so einfach und praxisnah wie möglich versuchen werde zu beantworten.

Im Ausdauersport definiert sich die Trainingsintensität als Trainingsumfang (z.B. zurückgelegte Kilometer) pro Zeiteinheit. Wenn ich 1000m in 3 Minuten laufe, laufe ich sie mit höherer Intensität, als wenn ich sie in 4 Minuten laufen würde. Wichtig bei der Trainingsintensität ist vor allem die daraus resultierende Belastung für den Organismus, und diese lässt sich zum Beispiel an Pulswerten ablesen. Ich muss also herausfinden, bei welchen Pulswerten ich mich so belaste, wie es für meine angestrebten Trainingsziele optimal ist. Dies geht natürlich auch über die Geschwindigkeit, doch das ist nicht unbedingt sinnvoll, da der Körper durch eine Ermüdungsaufstockung oder auch durch Infekte bei gleicher Geschwindigkeit stärker belastet wird als im ausgeruhten, gesunden Zustand. Eine Intensitätssteuerung über den Puls trägt diesen Schwankungen Rechnung, und so kann bei sinnvollem Einsatz eines Pulsmessgerätes das Training einerseits effektiver gestaltet und andererseits einem Übertraining vorgebeugt werden. Doch woher weiß ich nun, bei welchem Puls ich trainieren sollte? Das herauszufinden, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die ich kurz vorstellen werde.

Ein recht unkomplizierter Weg seine Trainingspulsbereiche herauszufinden, ist die Berechnung mit der Karvonen-Formel (benannt nach dem Finnen M.J. Karvonen). Dazu muss man zunächst seine Ruheherzfrequenz (HFRuhe) feststellen. Dies macht man am besten morgens nach dem Aufwachen im Bett und misst die Herzschläge/Minute. Zudem benötigt man seine maximale Herzfrequenz (HFmax.), die man feststellen kann, in dem man 1-2 km läuft und sich dabei vollkommen ausbelastet (wichtig: direkt nach dem Abstoppen 10 Sek. den Puls messen und dann mit 6 multiplizieren). Hat man diese beiden Werte, kann man seine Herzfrequenzreserve berechnen (HFRes.): HFmax - HFRuhe = HFmax.

Über die Herzfrequenzreserve kann man nun seine individuellen Trainingsbereiche bestimmen:

HF%Training = HFRuhe + (70% x HFRes.)

Beispiel: Ein Sportler hat eine Ruheherzfrequenz von 50 Schlägen/Minute und eine maximale Herzfrequenz von 190 Schlägen / Minute. Seine Herzfrequenzreserve beträgt also 140 Schläge/Minute. Er möchte jetzt seinen Trainingspuls für ein normales aerobes Ausdauertraining bestimmen und wendet dazu die Karvonen-Formel an: 70% Trainingsintensität = 50 S/Min. + (70% x 140 S/Min.) = 50 + (0,7 x 140) = 148.

Folgende Trainingsbereiche werden unterschieden:

  • 50 %: regeneratives Training
  • 60-70% : extensives Ausdauertraining (sinnvoll bei für lange Einheiten, bei denen der Fettstoffwechsel trainiert wird)
  • 80%: intensives Ausdauertraining (sehr effektiv, wenn man schnell besser werden will, sollte man dem Körper, vor allem, wenn dieser nicht darauf vorbereitet ist, nicht so häufig zumuten)
  • Ab 90%: sehr intensives, wettkampfnahes Training

Die genauste Methode, seine individuellen Trainingsbereiche festzustellen und mögliche Verbesserungen der Ausdauerfähigkeit zu überprüfen, ist der Laktat-Stufentest. Diese Methode ist im Leistungssport fast unumgänglich. Im niedrigen bis mittleren Intensitätsbereich besteht eine fast lineare Beziehung zwischen Laktat- und Pulswerten. Bei dem Stoffwechselzwischenprodukt Laktat handelt es sich um das Salz der Milchsäure, das bei der Energieproduktion ohne ausreichend Sauerstoffzufuhr anfällt. Nur so haben wir die Möglichkeit, sehr viel Energie pro Zeiteinheit bereitzustellen. Der Nachteil liegt leider darin, dass durch das Laktat der PH-Wert des Blutes sinkt (es wird sauer) und dadurch wiederum die Muskelkontraktion zunehmend gehemmt wird. Man sollte also, um eine bestimmte Intensität über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten zu können, nur so viel Laktat bilden, wie auch wieder abgebaut werden kann. Den Zeitpunkt, an dem die maximale Laktatabbaurate erreicht ist, d.h., gerade noch so viel abgebaut werden kann wie entsteht, nennt man anaerobe Schwelle. Diese liegt in der Regel bei etwas 4mmol Laktat/Liter Blut. Bei sehr gut trainierten Sportlern liegt sie deutlich darunter. Bei einem Laktat-Stufentest, kann man nun diese Schwelle genau bestimmen und damit einerseits wichtige Informationen über seine Ausdauerleistungsfähigkeit sowie seine Trainingsbereiche gewinnen. So ein Test läuft z.B. wie folgt ab. Man läuft vier bis fünf Mal einen bis zwei Kilometer in einer vorgegebenen Geschwindigkeit, wobei die letzte Stufe ungefähr am individuellen Leistungsmaximum gelaufen wird. Nach jeder Stufe werden Puls und Laktatwert gemessen (dazu wird ein Blutstropfen aus dem Ohr abgenommen). Anhand der Werte lässt sich dann berechnen, wo die anaerobe Schwelle liegt. Bei Folgetests kann man dann ablesen, ob sich die aerobe Kapazität verbessert hat. Das wäre der Fall, wenn die Schwelle erst bei einer höheren Laufgeschwindigkeit erreicht wird (s. Abb.).

Wichtig: Das hat nichts mit Abnehmen zu tun! Der Fettstoffwechsel ist im Ausdauersport sehr wichtig, um sich diesen großen Energiespeicher zu Nutze zu machen, da Kohlenhydrate nur begrenzt zur Verfügung stehen. Beim Abnehmen gilt immer noch die Energiebilanz zwischen dem, was ich an Energie zu mir nehme und dem, was ich an Energie verbrauche.

Die Abbildung zeigt die Entwicklung eines Top-Triathleten bei jährlich durchgeführten Stufentests. Es ist deutlich zu erkennen, dass er seine anaerobe Schwell, die irgendwo bei 2 mmol Laktat/l liegt, bei zunehmend höheren Geschwindigkeiten erreicht. Aufgrund der Pulswerte, die den Laufgeschwindigkeiten zugeordnet werden können (hier nicht mit abgebildet), kann sein Training gut gesteuert werden.

Der Nachteil eines solchen Tests ist natürlich, dass man ihn nicht einfach so für sich durchführen kann, sondern professionelle Hilfe benötigt. Wenn auch nicht unbedingt für den Hobbyläufer entscheidend, so sind solche Testergebnisse, vor allem bei Wiederholung des Tests sehr interessant.
Ganz entscheidend bei der individuellen Intensitätssteuerung sollte aber das eigene Körpergefühl sein. Zu lernen, die Signale seines Körpers richtig zu lesen und zu deuten, ist auf keiner Ebene des Sporttreibens durch Pulsuhren, Laktatmessgeräte oder sonst Irgendetwas zu ersetzen.

Solltet ihr zu diesem oder anderen Themen Fragen haben oder sollte der Wunsch bestehen, dass ich an dieser Stelle z.B. auf die stoffwechselphysiologischen Hintergründen der Energiebereitstellung noch genauer eingehe, dann schreibt mir. Ich freue mich auf interessante Anregungen und Fragen.

Euer Oleg

12.06.11 Hamburg Stadtparktriathlon
05.06.11 Gettorf Lauf

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